über Lehmfarbe
Zuvor wollen wir sagen, daß wir Lehmfarben nicht herstellen. Wenn Sie also auf der Suche nach Lehmfarbe sind, werden Sie hier nicht fündig. Inzwischen gibt es auch Hersteller von Lehmfarben in großer Zahl, denn der Begriff Lehm und seine Produkte und Erscheinungsformen ist sehr positiv besetzt. Dies ist auch gut so !
Was aber ist Lehmfarbe ? Ist sie die Farbe von Lehm? Ist es eine Farbe mit oder aus Lehm oder eine Farbe auf Lehm? Was ist überhaupt Lehm?
Doch zuersteinmal, was wird von einer Lehmfarbe erwartet und wie soll sie aussehen ?
Von einer Lehmfarbe werden all die positiven Eigenschaften erwartet, die auch dem Lehm als Baustoff eignen. Das Raumklima soll sie ganz allgemein verbessern und nicht noch Zusatzprobleme, zB für Allergiker produzieren etc. Und vor allem soll sie schön sein; wer könnte sich der ästhetischen Dimension dieses Urstoffs verschließen ? Wir jedenfalls nicht.
Die auf dem Markt angebotenen Produkte befriedigen auch all diese Wünsche; Lehmfarben werden als reinweisse oder sehr geschmackvoll pigmentierte Produkte angeboten. Sie lassen sich gut verarbeiten mit den bekannten Werkzeugen und sind unproblematisch auf sämtlichen Gründen.
Daß der Lehm als Baustoff jetzt endlich so geschätzt ist, hat auch dazu geführt, daß hier im Internet sehr profunde Information über diese Materie zu finden ist; deshalb können wir uns an dieser Stelle auch ersparen, das Thema der Herkunft, die geologischen Erscheinungsformen, mineralische Zusammensetzung, Eigenschaften wie Festigkeit als konstruktiver Baustoff sowie Hinweise auf Rezeptierungen in Bezug auf die Vermeidung von Schwind-rissen usw zu klären. Das Thema wäre auch sehr umfangreich, und es gibt genügend Spezialisten, die sich eingehend mit den unterschiedlichsten Eigen-schaften von Lehm, vor allem jedoch einer spezielleren Materie, dem Ton, beschäftigen.
Da nun Lehm definitionsgemäß ein Gemenge aus Sand, sog. Schluff und Ton darstellt, ist es auch seltenst der Fall, daß ein Anstrichmaterial aus diesem Stoff "reinweiß" sein kann. Reinweiß ist bestenfall der reine Ton; in seiner reinsten Form wird er auch China Clay genannt. Kaolin, auch Bolus, sind auch fast reine Tone, die nur geringfügig, manchmal kräftig gefärbt vorkommen.
Doch sind sie nicht Lehm. Überhaupt ist es üblich, bei der Benennung der Kategorien von Anstrichstoffen die Farbmaterialien nach den zum Einsatz kommenden Bindemitteln zu unterscheiden. Würden wir Lehm mit Wasser zu einer anstrichgeeigneten Konsistenz verrühren und auf die Wand aufstreichen wollen, könnten wir nach Trocknung dieser Farbe unser ästhetisch 'blaues Wunder' erleben; die Farbe würde, in derart dünnen Schichten zumal, reißen, bröseln, bröckeln, wie immer man es nennen möchte. Der ingenieuse Aufwand, einen Wandanstrich aus reinem Lehm oder auch aus Ton und feinem Sand zu verfertigen, der kein die angedeuteten Nachteile ausgleichendes zusätzliches Bindemittel hätte, wäre enorm. Die Erfindung des Jahrhunderts in der Farbenherstellung.
Nein, sog. Lehmfarben, wenn sie nach ihrem mineralischen Inhalt benannt werden, brauchen ein Bindemittel. Diese Bindemittel können sowohl die üblich bei Dispersionsfarben eingesetzten wie auch bei Leimfarben verwendeten sein.
Nur sind es dann eben Dispersions- oder Leimfarben. Wie kann eine reinweiss erscheinende Lehmfarbe zusammengesetzt sein? Z.B. für ca. 10 Liter Farbe.
Weissen Lehm gibt es kaum, also nehmen wir Ton (Kaolin, bolus alba, China clay). Da natürlicher Lehm etwa 20-25% Tonanteile hat, müssen wir 1,5 kg Ton und ca. 3 kg feinsten Sand sowie in Form von Pigmenten noch die 1,5 kg Schluff (wie das Wort schon zu erkennen gibt, besteht Schluff aus allen möglichen Arten durch Erosion abgetragener Mineralien) hinzufügen. Das Ganze wird in ca. 3 Liter Wasser eingerührt, aus 150 g Methylcellulose, Visc. 300 mPas in 1,5 -2 Litern Wasser geleimt, gut gerührt, ist sie schon fertig. Leider wird diese Farbe nicht besonders befriedigend in der zu erwartenden Deckkraft sein. Das liegt an der großen Menge Sand, wenngleich auch sehr fein; doch Sand muß körnig sein, sonst wird es Mehl genannt. Mehle aus Quarzsanden und anderen Mineralien, wie Calzit, Dolomit aber auch Tonen, die in kleineren Mengen als sog. Extender oder auch Verdicker benutzt werden, sind die üblichen Rohstoffe der industriellen Dispersionsfarben-Produktion. Das üblicherweise wegen seiner ausgiebigen Deckkraft eingestzte Weißpigment heißt Titandioxyd. Auf dieses Pigment kann auch nicht ein einziger industrieller Biofarbenhersteller verzichten. Es wird, je nach Deckkraft
des durch Werbeaussagen beschriebenen Produkts in mehr oder weniger großen Anteilen verwendet und schlägt sich dann im Preis entsprechend nieder.
Was bleibt nun von dem Lehm ? In der Farbe selbst nicht viel. Wenn kein Sand dabei, dann ist noch nicht einmal innerhalb seines kleinen Anteils die natürliche Zusammensetzung von Lehm simuliert.
Nun ist es ganz natürlich, daß der Wohlklang eines Wortes nicht allein von der Art und Weise der Aussprache sondern auch davon abhängt, auf welche Erwartung es auftrifft. Wen verwundert es, wenn der für die Erwartung wichtige Begriff auch genannt wird ?
Hier paßt der schöne, vorerst schwer verständliche Satz in einer weniger bekannten Schrift, den wir schon immer 'mal loswerden wollten:
"Tempore quo cognitio simul advenit, amor e medio supersurrexit."
(Zur Zeit, da sich die Erkenntnis einstellte, hob sich die Begierde von dannen.") Schon in antiker Zeit war die Analyse von Werbeaussagen offenbar geläufig.