Naturwerkstoffe
Propolis-Farben Meiners

Von der Eitempera

Wer die Kenntnisse hat, dem erscheinen sie immer gering, weil er empfindet, was ihm fehlt, klüger zu sein.

Hans Henny Jahnn

 

400 Milliarden Eier werden jährlich auf der Welt von Hühnern gelegt.

Und sie werden fast alle auch gegessen. Da liegt es nahe, daß wir einmal das liebenswürdige Lob des Eis von Wilhelm Busch in Erinnerung bringen:

Das weiß ein jeder, wers auch sei,

gesund und stärkend ist das Ei-

nicht nur in allerlei Gebäck,

wo es bescheiden im Versteck;

nicht nur in Soßen ist's beliebt,

weil es denselben Rundung gibt;

nicht eben dieserhalben nur-

nein, auch in leiblicher Statur,

gerechtermaßen abgesotten,

zu Pellkartoffeln, Butterbroten,

erregt dasselbe fast bei allen

ein ungeteiltes Wohlgefallen;

und jeder rückt den Stuhl herbei

und spricht: "Ich bitte um ein Ei !"

 

So sprach der Dichter,

Wilhelm Busch.

Der Maler Busch der nahm das Ei,

schlug es am Tellerrand entzwei.

Das Weiße ließ den Spitz er schlecken,

das Gelbe läßt sich lange strecken,

mit Leinöl, Wasser, Harz ins Ei;

das gibt der Farbe nicht nur Kraft;

sie leuchtet ohne sich zu rühmen;

auf Leinwand, Kalkputz, Holz, Papier...;

das beste für die Malerei

hat die Natur der Kunst verschafft.

Ein Hoch dem Huhn, so wollt' es dienen,

doch leider kam es anders hier.

 

Denn die Eitempera ist -zu unrecht- schon lange nicht mehr das meistverwendete Malmittel.

Es gibt kaum ein Malmittel - eigentlich keins - das die Farben besser zur Geltung bringt, weniger beeinflusst, schneller trocknet, beständiger ist, als Eitempera.

„Temperare“, lat., für uns das „Mischen“ von sonst nicht vereinbaren Medien, wie Wasser und Öl durch den Emulgator Lecithin im Eigelb. Über die Etymologie des Begriffs ist nicht allzuviel zu sagen; vielleicht "mildert" die verbindende Eigenschaft des Eigelbs einfach die Gegensätze von Wasser und Öl - damit sie zusammenfinden. Ob der Begriff schon in der Antike verwendet wurde, wissen wir nicht, obgleich durchaus ein ästhetischer Diskurs geführt wurde. Und ein temperiertes Klavierspiel, verglichen mit der höllischen Glut im "Eyjafjallajökull" scheint uns ein absurder Vergleich, ähnlich dem von dem italienischen Wort für "Wasserpfütze" entlehnten Begriff für die Guasche-Malerei. Auch die unterscheidenden Begriffe Binde- und Malmittel existieren erst, seit Farbenhersteller unterschiedliche Produkte für die verschiedenen Maltechniken anbieten oder überhaupt weil es notwendig erscheint, das Gebiet der Maltechniken zu systematisieren: sind jene Produkte als Malmittel dem Bindemittel einverleibt, haben sie im günstigsten Fall ihren aparten Charakter verloren; in ungünstigen Fällen wird sogar das Malen verhindert, wie etwa bei Verdickern und Strukturpasten.

Sog. Verzögerer verhindern nicht das Malen, sie verlängern es eher. Das Malmittel des allgemeinen Verständnisses, die Dammarlösung, verhilft Ölfarben sowohl zu der erwünschten "Scheintrocknung", gibt ihr einen Glanz, wird als absperrender Zwischen- und schließlich als Schlußfirnis verwendet, findet aber auch in trocknungsverzögernden Kompositionen Einsatz. Die Dammarlösung angesichts dieser diversen Funktionen nur als Malmittel zu bezeichnen ist nicht genauer, als sie nur Firnis zu nennen oder als reines Bindemittel anzusehen. Doerner schreibt auf S. 160 den Satz, "Als Mal- und Verdünnungsmittel kann in der Regel Wasser dienen." O.K., genau getroffen, korrekt: Es ist die Eignung, die einen Stoff zu dem macht, wozu er verwendet wird - insofern ist der Begriff "Malmittel" immer tautologisch.

 

Die Temperamalerei war die gebräuchliche Maltechnik des MA und wurde erst im 16. Jhrh. von der Ölmalerei, die dann andere Möglichkeiten, z.B. die Naß-in-Naß-Malerei bot, zwar nicht abgelöst, weil sie ja noch immer praktiziert wird; jedoch für die kunsttechnische und –geschichtliche Betrachtung stellt sie eben eine Periode dar, innerhalb derer hauptsächlich in der Temperatechnik gemalt wurde. Was nicht bedeutet, dass die Temperamalerei nicht schon den Ägyptern, Römern etc. bekannt gewesen wäre: sie ist einfach eine der ältesten Maltechniken. Wenn wir den Begriff Eitempera in dem Begriff Emulsionen, Emulsionstechniken erweitern, dann reicht die Bekanntheit dieser Maltechnik bis in älteste Zeiten zurück: Blut, Milch, Pflanzensäfte aus Wolfsmilchgewächsen usw. enthalten genug emulgierende Substanzen, mithilfe derer sämtliche Zivilisationen dieser Welt sich künstlerisch ausdrückten.

 

Es gibt viele Rezepte für die Zubereitung der Eitempera.

Wir wollen versuchen, aus der Vielzahl der Mischungsmöglichkeiten die besten auszuwählen.

Eine magere, wassermischbare Eitempera kann aus dem ganzen Ei einfach hergestellt werden: Der Hühnereigelb-Inhalt ist die Maßeinheit. Diesen Raumteil kann man ersteinmal mit gleichem Raumteil Leinöl verbinden. Das geht sowohl gut durch kräftiges Rühren oder Schlagen (wie bei der Maiyonnaise), wie es auch in einer Flasche geschüttelt werden kann. Ist dieser Teil zur Zufriedenheit erledigt, können 1 bis 3 Raumteile Wasser auf die gleiche Art hinzugefügt werden. In dieser Reihenfolge, sonst funktioniert es nur zufällig. Diese Tempera sollte, auf Papier aufgestrichen, ohne einen Fettrand auftrocknen. Mit dieser fetten Tempera, also bei vollem Ölanteil, können dann Pigmente angerieben werden.

Je frischer das Ei, desto besser und haltbarer die Tempera; man kann schon an der Wölbung des Eigelbs sehen, ob man es gern essen möchte oder nicht; das gleiche gilt für die Farbe selbst.

Durch Ersetzen eines Teils des Leinöls durch Harzlösungen (Dammarharz, 1:2 in Terpentinöl gelöst, Ketonharz im gleichen Verhältnis aber auch Standöle und Alkydharze oder –lacke können anstelle des Anteils Leinöl mit dem Ei verbunden werden), wird die Eitempera magerer. Sie wird nicht magerer durch das Wasser; dieses muss ja verdunsten. Je weniger Ölanteil in der Tempera, desto magerer – je magerer, umso härter trocknet die Eitempera auf. Auch hierfür gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, z.B. beim Malen auf der Wand oder anderen sehr festen Gründen, denn mit dem Verdunsten des Wassers ist die Tempera schon getrocknet und kann übermalt werden; die Trocknung des Ölanteils braucht entsprechend länger. Wenn man es einmal mit der Öl- oder Harzzugabe übertreibt, dann kann die Tempera auch aufbrechen; Öl und Wasser entmischen sich, zurückbleibt eine Art Gummiball, welcher jedoch noch zu einem sehr kräftigen und widerstandsfähigen Spachtel benutzt werden kann, wenn er ja gebraucht wird.

Genau genommen ist ja die Tempera aus dem ganzen Ei nicht in allen Teilen eine wirkliche Emulsion. Das Eigelb allein ist der Emulgator und trocknet selbst in zwei Phasen. Zum einen besteht der Dotter zu etwa 30% aus einem nichttrocknenden Öl – nennen wir es Eieröl – das die Tempera, genau wie das emulgierte Leinöl, länger geschmeidig hält, aber als Festigungsmittel erst später in Betracht kommt. Das eigentliche Klebemittel ist erst einmal das einphasig auftrocknende Dotter-Eiweiß, wie auch das eigentliche Eiweiß vorläufig nur als Leim fungiert. Es enthält ca. 85% Wasser und etwa 12-15% Albumin; dieses Albumin, eine sehr komplizierte Eiweißverbindung, sog. Plasmaprotein, sorgt in dem Ei für die Aufrechterhaltung des kolloid-osmotischen Drucks: es bindet und entlässt Stoffe innerhalb des lebendigen Systems des Hühnereis, mit denen der befruchtete Dotter ernährt wird und hält über diesen kolloid-osmotischen Druck innerhalb des Systems sowohl die Nahrung für den Dotter bereit, wie auch ihren Transport aufrecht. Verarbeitet, sowohl durch Belichtung, Wärme oder Säureeinwirkung, wird das Eiweiß sehr hart und wasserunlöslich. In der Fototechnik wird es auch als Träger und Reaktionsmittel für das mit dem Albumin zusammen erst lichtempfindliche Silbernitrat gebraucht. Max Doerner, auf dessen Standardwerk „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ wir immer wieder gern verweisen, sowie der Chemiker Alexander Eibner in seinem Werk „Entwicklung und Werkstoffe der Malerei“ 1928 beschreiben die für sie nicht nachvollziehbare Konservierungsmethode für Temperafarben durch Maler ihrer Zeit, die für diesen Zweck Essig gebraucht hatten. Vielleicht diente den Malern der Essig ja unbewusst für die Härtung des Albumins im Eiweiß... Doerner meint allerdings, Essig würde die Härtung beeinträchtigen. Das könnte aber noch geklärt werden. Auch heute noch benutzen viele Maler Essig anstelle von Wasser, weil sie der Ansicht sind, daß der Essig gut konserviert; das wird es dann auch sein, hält zwar nicht ewig, ist aber natürlich und ungiftig vor allem. Ein hervorragendes natürliches Konservierungsmittel, mit dem auch noch die Fähigkeit der Ölaufnahme gesteigert werden kann, stellt die "Chitosan"- Lösung dar. Wie das Wort schon vermuten läßt, handelt es sich um ein Produkt aus Chitin, dem nach außen gelegten Knochengerüst gewisser Meeresbewohner, Maikäfer und anderer Insekten. Wir stellen diesen Stoff mit seinen Eigenschaften an anderer Stelle vor. Das Malen allein mit Eiweiß jdenfalls auf normal grundierter Leinwand ist weniger empfehlenswert: die Gefahr des Abplatzens ist doch recht groß. Bestenfalls könnte zur Erzielung stärkerer Brillianz das Albumin sehr dünn mit einem Wattebausch auf vorhandene Schichten Temperafarbe aufgetragen werden, wozu es präpariert werden sollte, wie Doerner es beschreibt (bitte dort nachlesen).

Die bis hierher besprochene Tempera aus dem ganzen Ei ist wohl die in unserer Zeit am häufigsten verwendete Variante, zumal sie einfach herzustellen ist, und weil sie auch großflächiges und lasierendes Malen ermöglicht: je geringer der Ölanteil zugunsten von emulgierten Harzfirnissen, desto schneller kann übermalt werden; fertige Ölfarben lassen sich sowohl bequem emulgieren wie auch schwachgebundene Lösungen von Hasenleim, Gelatine anstelle des Wassers zugesetzt werden können. Weil die Aufnahmefähigkeit des Eidotters für Öl nur bis auf das Dottervolumen begrenzt ist (oder es wird etwas Chitosan-Lösung eingerührt), um mit Wasser mischbar zu bleiben und der Wasseranteil in dem Eiweiß ja schon sehr hoch ist, kann die Tempera ab einem bestimmten Punkt der Überfettung mit trocknendem Öl aber auch mit den Harzzusätzen in größeren Mengen nur noch mit Terpentinöl verdünnt werden. Dadurch wird die Ei-Tempera glänzend und Ölfarben ähnlicher.

 

Dies führt zu der Ei-Tempera nur aus dem Dotter.

Allein zwischen der mageren Ei-Tempera aus dem ganzen Ei bis zur mageren Tempera aus dem ganzen Ei nur mit Harzzusätzen und/oder wenig trocknendem Öl und der fetten Ei-Tempera aus dem ganzen Ei mit wenig oder keinem Wasser, dafür aber mit Terpentinöl, resultieren so viele Möglichkeiten, das Bindemittel für die eigenen Ausdrucksformen zu erarbeiten, die kein synthetischer Binder bietet. Auch die Tempera nur aus dem Eidotter kann allein mit Wasser gemischt vermalt werden, wie vielleicht von den Ikonen oder der Sekkomalerei auf der Wand her bekannt ist. Die Tempera nur aus dem Eigelb mit größeren Mengen Ölzusatz wird dann wesentlich pastoser und ermöglicht immer weniger das großzügige Malen; führt dann eben zu den kleinteilig strichelnden Malweisen, z.B. der Gebr. van Eyck usw., deren wissenschaftlich erarbeitete Malweisen in dem Zusammenspiel der Auswahl geeigneter Malgründe, den Aufbauten von Grundierungen, der Auswahl entsprechender Pigmente für deckende oder lasierende Malweise entsprechend den mehr oder weniger fetten und mageren Bindemitteln wirklich ein sehr weites Feld bieten, innerhalb dessen der Künstler nicht nur eine Lebenszeit produktiv verausgaben könnte.

 

Das Rezept für die Ei-Tempera nur aus dem Dotter ist genauso einfach, wie aus dem ganzen Ei

1. Das Eigelb, vom Eiweiß getrennt, wird mit einem Palettmesser auf nichtsaugender Platte mit der gleichen Menge Pigment, das mit Wasser zu steifer Paste angerieben wurde, ordentlich durchgearbeitet; diese Mischung ist mager, kann vermalt werden und auch mit Wasser bis zum Ablaufen vom Messer verdünnt werden. Die Probe, ob der Pigmentgehalt nicht zu groß, ist auch einfach: einen Pinselstrich der Farbe auf die Palette streichen, trocknen lassen, mit dem Messer abkratzen. Springt die Farbe dabei, ist der Eigehalt zu hoch, krümelt sie, ist der Pigmentgehalt zu groß. Oder den aufgestrichenen Streifen mit Wasser anfeuchten; ändert sich die Farbe nicht, ist der Eigehalt auch richtig. Besser jedoch sind beide Proben.

2. Die Tempera mit Leinöl wird wie bei der Mayonnaisenproduktion mit tropfenweise eingerührtem oder –geschlagenem Leinöl bis zur Erreichung der Mayonnaisenkonsistenz hergestellt. Einige Maler emulgieren vorher noch eine kleine Menge Lavendel- oder Spiköl. Ist die gewünschte Konsistenz erreicht, kann mit dem wie oben angeriebenen Pigment weitergemischt werden. Dies kann wieder bis zum Ablaufen vom Messer weiter mit Wasser verdünnt werden bzw. kann wie oben beschrieben ein Teil des Leinöls oder alles auch durch Harzlösungen ersetzt und dann verdünnt oder eben allein die unverdünnte mit Öl/Öl-Harz-Mischung überfettete, weniger verdünnte Tempera vermalt werden.

An der gelben Farbe des Dotters muss man sich nicht stören; diese verschwindet nach einiger Zeit. Auch wird die Ei-Tempera im Lauf der Zeit immer stabiler; frisch bemalte Leinwände sollte man noch nicht rollen; später macht die Ei-Tempera auch diese Beanspruchung mit. Möchte man nicht täglich frische Tempera herstellen, so kann sich die Lagerfähigkeit des Bindemittels mit viel Wasser – auch im Kühlschrank – von nur drei Tagen bis auf mehrere Monate mit wenig Wasser aber Harzzusätzen ausdehnen lassen. Die Tempera wird aber nicht wirklich besser vom Stehen.

Das war viel Text für eine einfache Sache, aber wir hoffen, es kann gebraucht werden, z.B. für eigene, ganz individuelle Malmittel.

Nach oben